Vorbeugung gegen den kollektiven Burnout
Der Gesetzgeber will sich künftig verstärkt dem Problem psychischer Belastungen am Arbeitsplatz annehmen
Krankenkassenreports belegen, dass sich die Krankschreibungen aufgrund psychischer Erkrankungen seit 1997 verdoppelt haben. Eine Studie der Deutschen Gesellschaft für Personalführung in Düsseldorf aus dem Jahr 2011 hat ergeben, dass 88 Prozent aller Personalmanager bestätigen, Mitarbeiter mit seelischen Problemen in ihrem Unternehmen zu beschäftigen. Das Thema ist so drängend, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Anfang des Jahres deshalb eine bundesweite Kampagne startete und außerdem eine Webseite (www.psyga.info) zum Thema einrichtete.
Volkswirtschaftlich gefährlich
Psychische Erkrankungen mindern das Leistungsvermögen der Betroffenen, verursachen inzwischen etwa 13 Prozent der Arbeitsunfähigkeitstage und stellen die häufigste Frühverrentungsursache dar.
Auch der volkswirtschaftliche Schaden ist immens: auf knapp 29 Milliarden Euro schätzt das Statistische Bundesamt nach letzten Zahlen die Krankheitskosten von psychischen Erkrankungen. Um den Arbeits- und Gesundheitsschutz zu erhöhen und psychische Erkrankungen zu vermeiden, haben sich aktuell das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände und der Deutsche Gewerkschaftsbund auf ein gemeinsames Grundverständnis zum Umgang mit psychischen Belastungen in der Arbeitswelt verständigt und in einer „Gemeinsamen Erklärung zur psychischen Gesundheit in der Arbeitswelt“ festgehalten.
Unternehmen sollen mehr Handlungssicherheit erhalten, um wachsenden Fehlzeiten und Frühverrentungen aufgrund psychischer Störungen entgegenzuwirken. Die Erklärung umfasst zehn Punkte zum gemeinsamen Grundverständnis in Bezug auf die wachsende Bedeutung der psychischen Gesundheit in der Arbeitswelt, die konkreten Arbeitsmerkmale, welche die psychische Gesundheit der Beschäftigten positiv wie negativ beeinflussen können, die Prinzipien und Methoden einer erfolgreichen Arbeitsgestaltung und die Prävention, um psychische Belastung zu vermeiden, sowie eine erfolgreiche Wiedereingliederung erkrankter Beschäftigter ins Berufsleben.
Die Sozialpartner wollen nun auf einer gemeinsamen Basis Methoden und Wege erarbeiten, die Widerstandsfähigkeit gegen Stress und Burnout zu stärken. Hierfür ist es erforderlich, betriebliche Gefährdungsbeurteilungen vorzunehmen. Dafür gibt es bereits seit langem eine gesetzliche Grundlage. Denn der Arbeitgeber ist nach Paragraf 5 des Gesetzes über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (Arbeitsschutzgesetz) verpflichtet, Gefährdungsbeurteilungen vorzunehmen. Daraus ist abzuleiten, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind.
Dabei hat der Arbeitgeber die Beurteilung je nach Art der Tätigkeit vorzunehmen. Aus dem Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung ergeben sich die festgelegten Maßnahmen des Arbeitsschutzes und das Ergebnis ihrer Überprüfung. In diesem Zusammenhang sieht Paragraf 16 des Arbeitsschutzgesetzes vor, dass die Beschäftigten verpflichtet sind, jede von ihnen festgestellte unmittelbare erhebliche Gefahr für die Gesundheit unverzüglich zu melden.
Maßnahmen müssen ausreichen
Ferner sind die Beschäftigten berechtigt, dem Arbeitgeber Vorschläge zu allen Fragen des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit zu machen. Sind Beschäftigte aufgrund konkreter Anhaltspunkte der Auffassung, dass die vom Arbeitgeber getroffenen Maßnahmen und bereitgestellten Mittel nicht ausreichen, um den Gesundheitsschutz bei der Arbeit zu gewährleisten, und hilft der Arbeitgeber den hierauf gerichteten Beschwerden von Beschäftigten nicht ab, können sich diese an die zuständige Behörde wenden.
Wissen der Mitarbeiter nutzen
Es kann daher nur empfohlen werden, im einzelnen Betrieb eine Analyse von eventuellen psychischen Belastungen vorzunehmen und sich hier das besondere Wissen der Mitarbeiter sowie der Arbeitnehmervertretung zu Nutze zu machen. Daraus lassen sich die von der Bundesregierung und den Sozialpartnern gewünschten Prinzipien und Methoden einer erfolgreichen Arbeitsgestaltung sowie die Erarbeitung von Präventionsmaßnahmen ableiten, um psychische Belastung im Betrieb zu vermeiden.
Arbeitgeber sollten ihr Augenmerk darauf richten, dass eine Wiedereingliederung erkrankter Beschäftigter ins Berufsleben nach im Betrieb bekannten Regeln erfolgt. Bei Vorhandensein eines Betriebsrats ist der Abschluss einer Betriebsvereinbarung zum betrieblichen Wiedereingliederungsmanagement zu raten.
(Artikel von Frau Dr. Glock in der Berliner Zeitung vom 09./10. November 2013)